Dienstag, 26. September 2017
Atemnot hilft gegen Angst…
Nicht selten ist es meine Angst, die verhindert, dass ich zur besten Version von Tony werde. Aber da es meinen Stolz verletzt, Angst zu haben, muss ich ständig mit der Angst zocken. Zum Beispiel habe ich Angst vor Pferden. Und mein Kopf sagt: Das ist schlau. Denn ein Pferd wiegt 800-1000 Kilogramm und kann mich mit einem Fußtritt töten. Viele Pferde wissen das gar nicht… Und weil ich mich partout nicht damit abfinden kann, ängstlich zu sein, stelle ich mich dieser Angst immer wieder, indem ich Pferde versorge und reite. Und meine vielen kleinen Siege gegen die Angst sind es absolut wert, dass ich immer wieder mit klopfendem Herzen die Stallgasse betrete und den Kampf gegen mich selber aufnehme.
Es gibt viele Dinge, die mir Angst machen. Zum Beispiel habe ich erbärmliche Angst, wenn ich in der Kletterhalle in 18 Meter Höhe an einem dünnen Seil hänge und die Kletterwand loslassen muss, um abgeseilt zu werden. Aber wenn ich die Höhenangst gewinnen lasse, werde ich sehr viele schöne Dinge niemals sehen.

Meine größte Angst ist es natürlich, dass meinem Kind etwas passiert. Denn ich weiß nicht, ob ich dann weiterleben könnte oder ihr einfach folgen würde, um bei ihr zu sein.
Und der Gedanke, dass ich meinen geliebten Partner verliere, schnürt mir regelmäßig die Kehle zu und lässt meine Knie zittern. Bei jedem Streit, bei dem einer von uns aus der Wohnung stürmt, fängt mein Körper an, mein ureigenes Stress-Programm abzuspielen. Mein Gesicht wird heiß, Hände und Knie zittern und mein Herz rast. Und dann leide ich schrecklich – bis am nächsten Tag eine Nachricht von ihm auf dem Display meines Smartphones aufpoppt. Er meldet sich immer bei mir, weil ich zu stolz und feige bin. Aber ich habe schreckliche Angst vor dem Tag, an dem er das nicht mehr tut.
Meine Angst ist es immer wieder, die mich so aggressiv macht. Weil ich sie nicht vertreiben kann, stelle ich mich ihr, konfrontiere mich, kämpfe mit harten Bandagen und brülle dagegen an, so laut ich kann. Und ich fordere sie immer wieder heraus.

Als ich mal wieder bei YouTube nach Lektionen meines Internet-Gurus Carolyn Cowan suchte, stieß ich auf eine Meditation gegen Angst. Auch diese Meditation verlangt eine Menge Stehvermögen und Selbstbeherrschung. Nicht gerade meine Stärke! Die Meditation wird im Schneidersitz praktiziert. Die Hände formen die sogenannte Lotus-Haltung, das heißt, alle Fingerspitzen werden leicht zusammengedrückt, Mit den Handflächen nach oben.
Die Arme sind seitwärts vor dem Körper, die Unterarme etwa parallel zum Boden. Die Ellbogen sind etwas tiefer als die Hände… Die Augen sind fast geschlossen, der Blick auf die Nasenspitze gerichtet – was ich als sehr anstrengend empfinde. Und als wäre man mit dem elfminütigen Schielen nicht schon genug gestraft, wird auch noch der Atem manipuliert. Es gilt so tief einzuatmen, wie es möglich ist. Dann komplett ausatmen und ohne ein Fitzelchen Luft in den Lungen werden vier Mal die Worte: „Ra Ma Da Sa“ wiederholt. Dann erst wird wieder eingeatmet und die Übung wiederholt. Nach einigen Wiederholungen stellt sich ein gewisses Unwohlsein ein. Ein Hauch von leichter Panik, hervorgerufen durch die selbst herbeigeführte Atemnot. Der Kopf weiß, dass keine Erstickung droht und man gleich wieder Luft holen darf und dennoch kommt eine Art Stress auf. Der Körper verlangt den Sauerstoff, der ihm stets für einige Sekunden vorenthalten wird. Die Übung ist an sich nicht problematisch – es ist reine Kopfsache und erfordert, dass man die Kontrolle an eine unbekannte Macht abgibt und sich einer unbekannten Variable anvertraut.
Und genau das versucht der Mensch unbedingt zu vermeiden. Wir wollen atmen, wir wollen kontrollieren und wir wollen beherrschen.
Irgendwann hat man es geschafft und die elf Minuten sind vorüber. Wenn man endlich wieder so atmen darf wie man es gewohnt ist, wird man von tiefer Dankbarkeit erfüllt, für das Geschenk, unbeschwert atmen zu dürfen. Und man genießt es ganz anders, wenn der Atem ungehindert einströmen darf.
Nun, tatsächlich gewinnt man durch diese Übung mit der Zeit mehr Gelassenheit und lernt Loslassen. Die Lektion dieser Meditation programmiert sich ein und überträgt sich auf andere Situationen, in denen sich Angst, Panik und Stress einstellen wollen.
Eine wertvolle Erfahrung, die Euch stärker macht, wenn Ihr den Mut habt, mit Euch selbst in den Clinch zu gehen. Und wenn es nicht klappen will? Nicht gleich aufgeben und nochmal versuchen.

Lieben Gruß,
Eure Tony, die Schreckliche

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