Samstag, 30. September 2017
Wie ich ein besserer Mensch werde – Karma Baby!
Viele Jahre habe ich damit verbracht, härter und durchsetzungsfähiger zu werden. Dazu musste ich lernen, auch ehrlich geradlinig und manchmal auch unfreundlich zu sein. Verkäuferinnen, die sich meiner Mami – sie spricht ein ausgezeichnetes Deutsch, allerdings hört man den ausländischen Akzent noch – gegenüber arrogant oder unfreundlich benehmen, nahm ich mir gnadenlos zur Brust. Ich lernte, Vordrängler und Nörgler zu konfrontieren und gegen unfaire Arbeitskollegen auch durchaus mal meine Ellbogen zur Hilfe zu nehmen und zu fressen, statt mich fressen zu lassen.

Doch merke ich mit der Zeit, dass ich zwar stets zu meinem Recht komme – die Befriedigung darüber jedoch ganz oft ausbleibt. Als mich neulich jemand als „vergnatzte alte Frau“ betitelte, war ich verdutzt.

Denn eigentlich war ich immer stolz auf mein sonniges Gemüt und eben jene Gattung der „vergnatzten alten Frau“ fand ich immer sehr bemitleidenswert. Genau genommen, habe ich in der Vergangenheit nicht selten Anstrengungen unternommen, um eben solchen vergnatzten alten Damen ein Lächeln abzuringen. Und es machte mich stolz, wenn ich einer maulig aussehenden Verkäuferin durch ein Kompliment für ihre toll sitzende Frisur ein Lächeln auf ihr Gesicht zaubern konnte.

Also, wenn mich jemand als vergnatzte alte Frau – so alt bin ich gar nicht, ich bin süße 45 und trage noch enge Jeans und Chucks – bezeichnet, ist es höchste Zeit, mein Leben schleunigst zu überdenken! Neues Karma musste her - vorzugsweise positives.

Neulich im Kroatien-Urlaub saß ich mit meiner Freundin im Café. Wir beide wollten zum Strand und sahen aus wie Heckenpenner als eine auffällig gestylte Blondine auftauchte. Bei genauem Hinsehen, erwies sich nahezu alles an ihr als Tand. Die Schuhe waren billig und ohne Klasse, die Handtasche ein Fake, die Sonnenbrille stammte definitiv aus dem Supermarkt und würde ihr irgendwann garantiert eine degenerative Augenerkrankung einbringen – aber wenn man nicht genauer hinsah, war sie schon ein Hingucker. Hübsch war sie allemal.

Sie selbst trug auch eine derart arrogante Miene zur Schau, dass hinter der Fassade unschwer die Wahrheit zu erkennen war: ein verängstigter Mensch, der um jeden Preis gefallen möchte. Meine Freundin fing gleich an zu giften: „Na, die hält sich wohl für die Schönste!“ Und sie musterte die Blondine von oben bis unten mit Blicken voller Missbilligung, in die sich auch ein kleines Quäntchen Neid mischte. Und auch ich kam mir – ehrlich gesagt – in meiner schmuddeligen Jeans Shorts und den zerwühlten Haaren neben dieser Erscheinung ziemlich klein, grün und hässlich vor… Ein Teil von mir wollte sie gleich doof finden.
Unvermittelt stand ich auf und trat auf das Tausendschönchen zu. „Entschuldigung“, sagte ich. „Darf ich ein Foto von Ihnen machen?“ Die junge Dame schaute erstaunt auf. „Warum das?“, fragte sie nicht gerade freundlich. „Ich erzähle zuhause in Deutschland immer, dass wir hier in Kroatien die hübschesten Frauen der Welt haben und Sie sind so schön zurecht gemacht – Ihr Foto würde ich gerne als schlagenden Beweis mitnehmen!“ Die junge Frau lachte geschmeichelt und nahm die Sonnenbrille ab. „Na dann“, sagte sie. Ich schoss das Foto, dankte ihr herzlich und wünschte ihr einen schönen Tag. Und ich wusste, den würde sie haben.
Neulich schlenderte ich an einem Samstag durch eine Sonderfläche im Kaufhaus, auf der Dirndl ausgestellt waren. Ich brauchte dringend ein neues – wollte es mir aber aus Kostengründen im Internet bestellen. Trotzdem probierte ich eines der Kleider an, um die richtige Größe herauszufinden. Eine sehr freundliche Verkäuferin kam dazu und half mir mit dem Reißverschluss.
Die Dirndl dort waren allesamt zu teuer für mich. Außerdem suchte ich nicht irgendein Dirndl. Ich hatte sehr genaue Vorstellungen von dem, was ich wollte. Schwarz-rot sollte es sein und mir die Möglichkeit geben, mich „spanisch“ zu stylen, so mit roter Blume im Haar… Wochenlang hatte ich im Internet nach dem passenden Dirndl gesucht. Leider vergeblich. Was halbwegs an meine Vorstellungen heran kam, war zu teuer und umgekehrt. Doch dort in diesem Kaufhaus war es plötzlich da: das perfekte Dirndl!!! Als hätte es auf mich gewartet!!! Wieder half mir die freundliche Verkäuferin beim Anprobieren und beim Blick in dem Spiegel war es Liebe auf den ersten Blick. Der Blick auf das Preisschild ließ mich jedoch schaudern. Die nette Verkäuferin kapierte sofort, was Sache war. „Das ist IHR Dirndl!“, erklärte sie resolut und machte sich auf den Weg, um den Preis zu reduzieren. Überglücklich verließ ich mit meiner Beute das Geschäft. Doch ein solches Geschenk wollte ich nicht annehmen, ohne etwas dafür zurück zu geben. Zuhause setzte ich mich hin und schrieb einen Brief an die Geschäftsleitung des Kaufhauses, in dem ich die Verkäuferin verdienter Weise über den grünen Klee lobte und zu einer solchen Mitarbeiterin gratulierte. Danach ging es mir so gut, dass ich mir das jetzt zur Angewohnheit gemacht habe.
Jeden Tag eine gute Tat – wie bei den Pfadfindern. Servicekräfte, Pflegepersonal im Gesundheitswesen, Fahrer öffentlicher Verkehrsmittel – viele Menschen haben Stress im Beruf und freuen sich über nettes Feedback.
Senioren aus der Nachbarschaft freuen sich über Einladungen zum Kaffee und jeder Mensch freut sich über ein nettes Wort.
Viele sagen „Rache ist süß“, „Angriff ist die beste Verteidigung“ „Fressen statt gefressen zu werden“. Aber meine Erfahrung sagt etwas anderes. Wenn man etwas tut und sich dabei schlecht fühlt, tut man gerade das Falsche! Aber nichts fühlt sich besser an, als jemand anderem etwas Gutes zu tun. Und wer an Karma glaubt, weiß auch: Alles kommt zurück, das Gute wie das Böse. Und ich für meinen Teil habe es lieber, wenn gutes Karma zurück kommt. Wenn nicht sofort, dann halt im nächsten Leben!

Cheers,
Eure Tony, die Schreckliche!

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